Er prägte das Leihamt: Danke, Jürgen Rackwitz!

29. September 2025 AutorMarkus Biedermann
Jürgen Rackwitz vor Publikum im vollen Saal

Jürgen Rackwitz im Gespräch mit einer Besuchergruppe | Foto: Axel Heiter

Nach über zwei Jahrzehnten außergewöhnlicher Führung geht mit Jürgen Rackwitz eine prägende Persönlichkeit des Leihamts in den Ruhestand. Mit Anton Meinzer übernahm im September 2025, wie bereits berichtet, ein erfahrener Nachfolger die Geschäftsführung.

Jürgen Rackwitz war kein stiller Verwalter, sondern jemand, der Dinge ins Rollen brachte. Unter seiner Führung entwickelte sich Das Leihamt zu dem, was es heute ist. Es ist Deutschlands letztes öffentlich-rechtliches Pfandhaus und weit über Mannheim hinaus sichtbares Aushängeschild der Stadt.

 

Ein einladendes Palazzo

Das Gebäude in D4 war für Rackwitz nie nur ein Arbeitsplatz. Er sah darin ein Stück Stadtgeschichte, das gepflegt werden musste. Unter seiner Leitung wurde das Haus umfassend saniert.

2006 die behutsame Innenmodernisierung. Zuletzt die aufwendige Fassadensanierung des historischen „Stadtpalazzos“. Die Sandsteinfassade erhielt neue Strahlkraft. Das Foyer mit seiner Glasdecke und dem monumentalen Kronleuchter wurde zum einladenden Mittelpunkt. Für Rackwitz war das nicht nur Baupflege, sondern ein Bekenntnis. Wer Hilfe sucht, betritt ein Haus, das Respekt ausstrahlt.

Rackwitz öffnete dieses Haus immer wieder für Kultur und Begegnung. Für ihn war klar: Ein öffentliches Haus darf nicht abgrenzen. Es soll Begegnungen ermöglichen. Er lud Bürgerinnen und Bürger ein, beim „Tag der offenen Tür“ hinter die Kulissen zu schauen. Er brachte das Leihamt in die Stadtteile. Schätzertage fanden in den Rathäusern statt. Und er ließ Musik in die Schalterhalle ziehen. „Live at the Pawnshop“ war ein Jazzabend mit Thomas Siffling und Claus Boesser-Ferrari. Die Presse schwärmte von einem Abend mit dem „Mann mit dem goldenen Ton“ (bei Spotify anhören).

Eindrucksvoll zeigte sich sein kulturelles Engagement auch bei der „Medaillensuite für die Alte Sternwarte“. Aus altem Schmuck und Ziergefäßen, die an das Leihamt verkauft wurden, ließ er historische Kurpfälzer Medaillen nachprägen. Der Erlös floss direkt in die Sanierung der Alten Sternwarte. Kulturförderung im besten Sinne.

 

 
 

Digitalisierung mit Haltung

Auch in der Branche setzte Rackwitz Maßstäbe. Im Juli 2024 fand die erste Liveauktion statt. Er brachte ein modernes Online-Kundenportal und einen Online-Shop auf den Weg. Zudem eine amtlich geprüfte Verwaltungssoftware. Das Leihamt wurde digital und zu einem Vorreiter. Rackwitz hatte den Mut, einfach mal zu machen. Und er wusste, wie man die Menschen auf neue Wege mitnimmt.

So auch, als er dem Leihamt ein neues Gesicht gab: Das moderne Erscheinungsbild in Blau machte die Einrichtung 2020 klar und unverwechselbar. Seine Haltung hatte sich jedoch nicht geändert: Der bisherige Werbeslogan „Fair leihen, fair kaufen, fair versteigern“ findet sich bis heute in den Werten sozial, fair, unkompliziert und verlässlich wieder. Solche Aussagen waren für Rackwitz immer mehr als nur Werbung: Wer mit ihm sprach, merkte schnell, dass es ihm um Vertrauen geht – kein Geschäft um jeden Preis.

Unter seiner Führung wurde das Leihamt auch zum Innovationsführer. Als erste kommunale Einrichtung führte er 2009 den Pfandkredit für Autos ein. Später kamen Designerhandtaschen ins Sortiment. Das Vario-Pfand etablierte sich als beliebte Alternative zum Dispokredit.

 

Hilfe im Kern

Bei aller Modernisierung blieb er immer dem sozialen Auftrag verpflichtet. Rackwitz wusste: Ein kleiner Ring oder eine Uhr kann für manche Menschen der letzte Rettungsanker sein. Handwerkerinnen und Handwerker berichten, wie sie dank Pfandkredit Aufträge sichern konnten. Aufträge, die sonst verloren wären.

 

 
 
Rackwitz stellte Fairness vor Gewinn. 96 Prozent aller Pfänder werden wieder ausgelöst. Der Erfolg bestätigte seine Haltung. Die Gewinne des Leihamts fließen zur Hälfte in den städtischen Sozialetat.

 

Anerkennung in der Branche

Auch über Mannheim hinaus war Rackwitz gefragt. Als Stimme im Zentralverband brachte er Ideen ein und mischte Debatten auf. Kolleginnen und Kollegen nannten ihn „Mister Leihamt“ und den „Herrn der Pfänder“. Sein Engagement, sein Humor und sein klarer Standpunkt machten ihn zu einer Persönlichkeit der Branche.

Was seine Mitarbeitenden besonders schätzen: Er war nicht nur Chef, sondern Mentor. Sein direkter, manchmal spitzer, aber immer ehrlicher Ton war legendär. Ebenso wie sein unkonventioneller Stil: Im Sommer durchaus in Bermudas und Flipflops anzutreffen. Aber niemals unaufmerksam für die Details.

 

 
 

Abschied

Mit Jürgen Rackwitz geht ein Geschäftsführer in den Ruhestand, der das Leihamt geprägt hat wie kaum ein anderer. Er hinterlässt ein Haus, das offen, modern und zukunftsfähig ist. Und er hinterlässt Spuren in den Köpfen derer, die mit ihm gearbeitet haben.

Für seinen Ruhestand wünschen wir ihm alles erdenklich Gute. Er hat das Städtische Leihamt nicht nur verwaltet, sondern gestaltet. Und damit ein Stück Stadtgeschichte geschrieben. Die Erinnerungen an gemeinsame Projekte, Herausforderungen und Erfolge werden weiterleben und die Zukunft des Hauses prägen.

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