Der deutsche Kaiser Wilhelm II. sagte einmal: „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung“. Was hat das mit der Online-Versteigerung zu tun? Eigentlich nichts, es sei denn, Sie sind Pfandleiher oder Kunde und glauben an die klassische Form der Versteigerung im Saal. Dann geht es Ihnen wie einst Wilhelm II. Sie liegen meiner Meinung nach völlig falsch.
Ein Pfandleiher ist grundsätzlich verpflichtet, Pfänder, die nicht eingelöst und nicht verlängert werden, im Wege der öffentlichen Versteigerung zu verwerten. Das ist seit dem 1.1.1900, also zu Kaisers Zeiten, so. Seitdem hat sich trotz zweier Weltkriege und einiger Weltwirtschaftskrisen nicht viel geändert. Dann kam Corona.
In dieser Zeit wurden unter anderem öffentliche Präsenz (vor Ort) -Versteigerungen verboten. Digitalisierung, bargeldloser Zahlungsverkehr und Verwaltungsvereinfachung sind neben Long Covid und Fachkräftemangel die Überbleibsel dieser Zeit. Und seitdem packt der gesetzgeberische Fortschritt der Ampelkoalition Deutschland am geliebten (Bar-)Geldbeutel.
Mit dem MEG IV (nein, das ist nicht die Fortsetzung der Geschichte vom archaischen Riesenhai), dem Mittelstandsentlastungsgesetz, hat sich der Gesetzgeber daran gemacht, Prozesse in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens zu digitalisieren, so auch die öffentliche Pfandversteigerung. Diese wird demnächst neben der klassischen Präsenzversteigerung auch ausschließlich online möglich sein.
Am 16.7.2024 hat das Leihamt erstmals eine Versteigerung digital bei Lot-tissimo und parallel vor Ort durch den Auktionator Reiner Schorer durchführen lassen. Das lief perfekt, alle waren zufrieden. Die Abrechnung lag wenige Stunden nach Ende der Versteigerung vor und war online einsehbar.
Ab 2026 wollen wir nur noch digital versteigern. Ich höre schon laute Aufschreie. Die Gründe der Gegner der Online-Versteigerung schenke ich mir. Wer 1 und 1 zusammenzählen kann, kann sich denken, warum es Mitbewerber gibt, die z.B. lieber samstags um 6.00 Uhr in einem Raum mit 3 Besuchern versteigern und noch mit der Hand Belege schreiben (oder auch eben nicht).
Bei einer Online-Versteigerung wird alles unbar abgewickelt. Online-Kunde, Pfandkunde und Pfandleiher erhalten sofort eine digitale Abrechnung. Das schafft Transparenz. Durch eine Versteigerung im Internet werden höhere Erlöse erzielt, der Pfandkunde erhält dadurch höhere Mehrerlöse. Der Pfandleiher kann schon bei der Beleihung mehr Darlehen geben, weil er im Falle eines Falles sicherer und höher versteigern kann.
Weniger Arbeit und geringere Kosten sind angenehme Nebeneffekte. Dadurch sind niedrigere Gebühren möglich, die das Leihamt an seine Kunden weitergeben kann. Ab Oktober richtet das Leihamt für seine Kunden eine Kundenplattform ein, auf der sie online verlängern können und sehen, welche aktuellen Pfänder sie haben, welche Zinsen und Gebühren angefallen sind und was sie zahlen müssten. Mit einem Klick können Sie per PayPal bezahlen und erhalten Ihren Pfandschein digital als PDF. Dort sehen sie auch die Versteigerungsabrechnung und eventuelle Mehrerlöse aus versteigerten Pfändern. Diese können sie sich auszahlen lassen oder zur Verlängerung oder Einlösung Ihrer anderen Pfänder verwenden.
Das ist doch normal, denken Sie. Richtig. Und es gibt welche, die das nicht wollen? Und die verlangen für weniger Leistung mehr Geld? Dann sollte der Groschen gefallen sein.
Wenn nicht, satteln Sie Ihr Pferd und reiten Sie der Abendsonne entgegen.