Pfandleihe und der Kampf mit gestohlenen Waren

14. August 2024 AutorJürgen Rackwitz
Jürgen Rackwitz in seinem Büro.

Jürgen Rackwitz räumt mit einem weit verbreiteten Vorurteil auf | Foto: Axel Heiter

Ein Beitrag von Jürgen Rackwitz.

Als ich vor 23 Jahren als mitteljunger Beamter zum Leihamt kam, hörte ich immer wieder: „Das Leihamt ist die Hehlerbank Nr. 1 in Mannheim“. Es ist an der Zeit, mit dem Märchen von der Hehlerbank und dem Leihamt als Absatzmarkt für Diebesgut aufzuräumen. In der Überschrift sollte noch „Kampf gegen das Vorurteil“ eingefügt werden. Es hält sich hartnäckig, obwohl es nie gestimmt hat.

Es gibt in Deutschland keine Pfandleiher, die wissentlich gestohlene, verloren gegangene oder mitgenommene Gegenstände beleihen. Das behaupte ich jetzt.

 

Warum?

1. Nach § 1208 Satz 2 i.V.m. § 985 BGB erwirbt ein Pfandleiher an gestohlenen, verloren gegangenen oder sonst abhanden gekommenen Gegenständen kein Pfandrecht. Der Gegenstand ist an die Polizei oder den rechtmäßigen Eigentümer herauszugeben. Das zu Unrecht ausgezahlte Darlehen kann sich der Pfandleiher vom betrügerischen Versetzer zurückholen. Das kostet, dauert, nervt und bringt meist nichts, ganz abgesehen vom Ärger mit den Behörden.

2. Pfandleiher, die bewusst gestohlene Ware annehmen würden, müssten damit rechnen, dass sich das in einschlägigen Kreisen und bei der Polizei schnell herumsprechen würde. Neben strafrechtlichen Konsequenzen und zivilrechtlichen Klagen würde sofort der Entzug der Pfandleiherlaubnis drohen. Um solch ein Pfandhaus würden alle ehrlichen Kunden einen großen Bogen machen.

3. Pfandleiher verdienen „ehrlich“ genug Geld. Am meisten Geld verdient man als Pfandleiher mit zufriedenen, langjährigen und ehrlichen Stammkunden.

4. Diebe machen einen großen Bogen um Pfandhäuser. Gott sei Dank. Im Pfandhaus müssen sie einen gültigen Personalausweis vorlegen und bekommen Fragen zum vorlegten Gegenstand gestellt. Ab bestimmten Beträgen verlangen Pfandleiher Kaufnachweise, Rechnungen, Originalverpackungen usw.

5. Pfandleiher haben ein gutes Bauchgefühl und meistens noch bessere Menschenkenntnis. Kunden, die von weit her kommen oder eine unglaubwürdige Geschichte erzählen oder nicht wissen, wie ihre Uhr funktioniert, oder 5 Minuten vor Ladenschluss kommen und es eilig haben oder zu zweit auftauchen (einer redet und der andere, der kein Deutsch spricht, beleiht dann), lösen bei unseren Schätzern am Schalter Alarmglocken à la Big Ben aus.

6. Nicht nur Schuhe und Gürtel müssen zusammenpassen, wie Lothar Matthäus richtig feststellte, sondern auch Kunde und Ware. Beispiele: Ein offensichtlich Drogenabhängiger bietet eine funkelnagelneue Rolex ohne Papiere an. Eine moderne, schick gekleidete Dame mit langen Fingernägeln bringt ein Kofferkomplettset mit einer Hilti TE 80 ohne Chipkarte (wiegt alles 25 kg). Und last but not least will ein völlig unmusikalischer Mann „seine“ Gibson Les Paul beleihen. Die schicken wir alle wieder weg.

7. Pfandleiher tauschen sich regelmäßig aus, arbeiten eng mit der Polizei zusammen und lesen aktuelle Warndienste, z.B. ihres Versicherers. Sie schulen ihre Beschäftigten.

8. Gestohlene Gegenstände werden spätestens 6 Monate nach dem Versatz öffentlich versteigert. Die Gefahr hier als Dieb aufzufliegen, ist außerordentlich hoch.

 
Dann verkaufen Diebe eben ihre Ware beim Pfandleiher, der ja auch ankauft, werden sie sagen. Netter Versuch. Beim Ankauf sind wir noch vorsichtiger. Und ab 2.000 Euro und gegebenenfalls auch vorher bestehen wir auf Überweisung wegen des Geldwäschegesetzes und lehnen Barzahlung ab.

Vampire scheuen das Licht, Diebe die Banküberweisung. Von wegen nur Bares ist Wahres, das gilt nur für die, die auf dem zweiten Auge blind sind.

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