Schlagwort: Pfand
Die Menschen im Leihamt: Sabine Seitz, Assistentin der Geschäftsführung
25.Februar 2022Sabine Seitz, Assistentin der Geschäftsleitung im Leihamt in Mannheim | Foto: Axel Heiter
Hand in Hand arbeitet Sabine Seitz mit den Pfandkredit-Expert:innen des Leihamts zusammen. Sobald diese ein Pfand auf seinen Wert taxiert haben und den Pfandvertrag mit der Kundschaft abgeschlossen ist, zahlt sie an der Kasse das Pfanddarlehen aus.
Zum Leihamt kam die gelernte Friseurin wie die Jungfrau zum Kinde. Ob ein Job als Aushilfe beim Leihamt nichts für sie wäre, fragte Betriebsleiter Kurt Thomaschek die gebürtige Mannheimerin einst vor 22 Jahren. Offen und experimentierfreudig, so wie es ihrem Naturell entspricht, sagte Seitz prompt zu. Und wurde schon nach kurzer Zeit als Festangestellte in Teilzeit übernommen. Seitdem arbeitet sie im prächtigen Jugendstilgebäude in D 4 – „schönster Arbeitsplatz Mannheims!“ – entweder hinter den Kulissen als Assistentin der Geschäftsführung oder an vorderster Linie: der Kasse.
Bargeld oder EC-Zahlung?
Und genau hier laufen alle finanziellen Fäden zusammen. An der Kasse können die Leihamt-Kund:innen ihre Pfandkredite verlängern. Sie können hier ihre Pfänder auslösen, also den Pfandkredit zzgl. der aufgelaufenen Zinsen und Gebühren tilgen. Sie bezahlen die Gold-/Silbermünzen oder Gold-/Silberbarren, die sie beim Leihamt erwerben. Oder sie kassieren das Geld für Gold und Silber, das sie im Leihamt verkaufen. Alle Transaktionen passieren entweder mit Bargeld oder bargeldlos über eine EC-Karte.
Wer kommt ins Leihamt?
Aber wen trifft die sympathische 59-Jährige eigentlich täglich an der Kasse des Leihamts? „Unsere Kundschaft ist bunt gemischt“, sagt sie. Da gibt es die Omis und Opis, die kurzfristig Geld brauchen, um ihre Stromrechnung zu bezahlen. Die Gastronom:innen, die sich mit einem Pfandkredit in Covid-Zeiten über Wasser halten. Die Musiker:innen, denen das Coronavirus ihre Auftritte und damit ihre Gagen geraubt hat. Die Schausteller:innen, die in der einkommenslosen Pandemie ihre Tiere füttern müssen. Oder aber Geschäftsleute, die eine Immobilie zwischenfinanzieren müssen.
Pfandkredit peu à peu tilgen
Seitz hat ein feines Gespür für Menschen. Beispiel: Eigentlich soll lediglich ein Pfand verlängern werden. Dann bemerkt sie jedoch, dass die Kundschaft eigentlich noch mehr Geld zahlen könnte als das, was die Verlängerung kostet. Dann reagiert sie und bietet eine Teilabzahlung des Pfandkredits an. Wie bei einem Annuitätendarlehen greift dann nämlich ein besonderer Tilgungseffekt. Durch die Verringerung der Kreditsumme reduzieren sich auch die Gebühren und Zinsen, die auf die Summe fällig werden. Viele Kund:innen haben das so nicht auf dem Schirm und sind Seitz sehr dankbar. „Kürzlich kam eine Kundin nach dem Besuch an der Kasse mit einer Schachtel Pralinen zurück.“
Vertrauen in kommunales Amt
Es ist genau dieses offene Geschäftsgebaren, das Vertrauen bei Menschen schafft. Sie fühlen: Hier werde ich nicht übers Ohr gehauen. Hinzu kommt: Das Leihamt ist ein kommunales Pfandhaus – das einzige seiner Art in ganz Deutschland. Wenn die Mitarbeiterin des Leihamts abends nach Hause geht, hat sie ein gutes Gefühl. Denn auch an diesem Tag konnte sie Dutzenden von Menschen helfen, die einen finanziellen Engpass überbrücken müssen.
Autorin: Stefanie Badung
Die Menschen im Leihamt: Anton Meinzer, Experte für Gold und Silber
24.November 2021Anton Meinzer, Experte für Gold und Silber beim Leihamt in Mannheim | Foto: Axel Heiter
Den Beruf des Pfandleihers hatte Anton Meinzer zu keiner Zeit auf dem Schirm. Und trotzdem spürt er jeden Morgen, wenn er seinen Dienst im Leihamt Mannheim antritt: „Das ist genau das, was ich machen möchte! Und genau an dem Ort, an dem ich es machen möchte!“
Im März 2022 wird Anton Meinzer zehn Jahre am Schalter des Leihamts Tausende von Kund:innen bedient, Tausende von Wertgegenständen taxiert sowie Tausende von Kilogramm Gold angekauft und verkauft haben. Als der gelernte Goldschmied 2012 im Vorstellungsgespräch gefragt wurde, wie er in Krisen reagiere, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Ich komme gerade von einer dreimonatigen Solo-Südamerika-Reise zurück. Weder bei der Überquerung eines Gletschers in den Anden noch bei der Arbeit mit Kindern in der Favela oder Wanderungen durch die Wälder von Feuerland wurde mir ein Haar gekrümmt. Wenn ich eins bin, dann nervenstark.“
Hinzu kommt: Die Menschen, die bei einem finanziellen Engpass Hilfe im Leihamt suchen, fassen blitzschnell Vertrauen zu dem 31-Jährigen. Mit offenem Blick und Engelsgeduld nimmt er sich Zeit für alle, die den Weg in das prächtige Jugendstilgebäude in D4 gefunden haben. Dass er im einzigen kommunalen Pfandhaus Deutschlands nicht unter Verkaufsdruck steht, schätzt Meinzer sehr: „Ob jemand ein Pfand mit 100 oder 10.000 Euro beleiht, spielt hier keine Rolle.“ Alle bekommen die gleiche Aufmerksamkeit, die gleiche Wertschätzung und den gleichen Respekt. Aus Erfahrung weiß er, dass fast nichts so subjektiv ist wie die Geldsumme, die jemand in einer Notlage benötigt. Der Erste braucht am Monatsende 30 Euro zum Essen, die Nächsten brauchen 500 Euro zur Autoreparatur und die Dritte braucht 8.000 Euro zur Begleichung ihrer Steuerschuld. Dass die Menschen an ihren Schätzen hängen, weiß Meinzer. Denn 93 Prozent der Pfänder gehen nicht in die Versteigerung, sondern werden vorher von ihren Besitzer:innen wieder ausgelöst.
Experte für An- und Verkauf von Gold und Silber
Wer wann mit welchen Kostbarkeiten ins Leihamt kommt, weiß der Goldschmied und Diamantgutacher nie. Womöglich liebt er deshalb so die Abwechslung und Vielfalt seines beruflichen Alltags. Dabei ist der Pfandkredit, also das Prüfen, Bewerten und Beleihen von Armband- und Taschenuhren, Porzellan, Markenwerkzeug, Musikinstrumenten und Fahrrädern, die eine Seite der Medaille. Die andere ist der Edelmetallhandel, den Meinzer mit seinem Kollegen Marek Brach im Leihamt aufgebaut hat. Täglich kaufen die beiden Experten Gold und Silber – durchschnittlich 5 bis 15 Kilogramm pro Monat.
Dabei kommen die geprüften und nach aktuellem Gold- und Silberpreis taxierten Stücke – zum Beispiel Goldmünzen, Goldmedaillen, Bruchgold, Zahngold, Altgold oder Goldschmuck jeglicher Art – im nächsten Schritt in die Scheideanstalt. Dort werden Verunreinigungen entfernt und das reine Edelmetall in Barren gegossen. Aber auch, wer bankhandelsfähige Goldmünzen und Goldbarren in einem seriösen Rahmen und zu attraktiven Konditionen kaufen möchte, ist bei Meinzer bestens aufgehoben.
Vorwärts denkender Mensch
Anton Meinzer ist ein Mensch, der im Leben immer vorwärts denkt. Deshalb hat er sich 2020 auf den mühsamen Weg zum Goldschmiedemeister begeben. Diese Ausbildung absolviert er berufsbegleitend und mit viel Elan. Darüber hinaus unterstützt er die Digitalisierung, die das Leihamt auf noch effizientere Beine stellen wird. Und wenn er dann doch mal ein Stündchen Ruhe hat? Was tut er zur Entspannung? „Dann mähe ich den Rasen“, schmunzelt er, und das nimmt man ihm auch sofort ab.
Autorin: Stefanie Badung
Die Menschen im Leihamt: Tobias Rackstraw, Experte Vario-Pfand
02.Juli 2021Tobias Rackstraw, Experte für Vario-Pfand beim Leihamt in Mannheim | Foto: Axel Heiter
Ein rostiger Trabi, der zum allradgetriebenen Geländewagen wird. Ein uraltes Fachwerkhaus, das zum ultramodernen Smarthome wird. Ein städtisches Amt, das zum Anbieter eines völlig neuartigen Finanzprodukts wird. Da, wo andere nur Gegensätze sehen, nimmt Tobias Rackstraw etwas völlig anderes wahr: die Chance, durch die Kombination vermeintlich widersprüchlicher Dinge etwas nie zuvor Dagewesenes zu schaffen.
Die Gabe, die Welt aus völlig unterschiedlichen Perspektiven zu sehen, muss Tobias Rackstraw in die Wiege gelegt worden sein. Als Sohn einer deutschen Uhrmacherin und eines englischen Naturwissenschaftlers ist er in Heidelberg geboren. Er besucht als Kind und Jugendlicher sowohl deutsche als auch englische Schulen. Vom Studium der Volkswissenschaften sattelt er auf das Goldschmiedehandwerk um und erlernt nebenbei das Tätowieren. So erschafft er tagsüber kunstfertigen Schmuck aus Gold und bringt abends Kunst unter die Haut.
„Gern auch mal anders“
Genau das, was auf den ersten Blick überhaupt nicht zusammenpasst, übt auf Rackstraw also größten Reiz aus. Wenn genau diese Widersprüche zusammengesetzt werden, dann entsteht etwas unerwartet Neues – etwas, das die Menschen fasziniert. „Gern auch mal anders“ ist der rote Faden, dem Rackstraw unbeirrbar folgt. Da trifft es sich gut, dass er als Schätzer beim Leihamt in Mannheim arbeitet. Denn das einzig kommunale Pfandhaus Deutschlands hat ein Produkt entwickelt, das es so bisher nirgendwo anders gibt. Und dafür ist Rackstraw mitverantwortlich.
Beim sogenannten Vario-Pfand können Kund:innen ihre Wertgegenstände ab 10.000 Euro wahlweise diebstahlsicher verwahren, per Anruf, E-Mail oder Smartphone-App beleihen oder beides auf einmal tun – und das zu äußerst günstigen Konditionen. Diese sorgen dafür, dass das Vario-Pfand eine attraktive Alternative sowohl zum Dispokredit als auch zum Bankschließfach ist.
Kommunales Amt schafft innovatives Produkt
Dieses Angebot stehe den Konditionen eines klassischen Finanzdienstleisters in nichts nach, so Rackstraw und sei darüber hinaus um ein Vielfaches unkomplizierter und schneller im Bearbeitungsprozess. Er nennt ein Beispiel: „Die Kundin hat einen von uns geprüften und taxierten Wertgegenstand eingelagert und braucht aus irgendeinem Grund plötzlich Geld“.
Bei einem klassischen Finanzinstitut müsse sie jetzt Formulare ausfüllen und auf die Bewilligung warten. Beim Leihamt hingegen ruft die Kundin an und nennt die Höhe des benötigten Pfanddarlehens. „Wir überweisen die vereinbarte Summe auf das hinterlegte Bankkonto und schicken den Pfandschein per E-Mail“, erklärt Rackstraw. Das Ganze geht binnen Minuten über die Bühne und passiert kontakt- und bargeldlos.
Dass das 212 Jahre alte Leihamt als kommunale Institution ein solch innovatives Produkt entwickeln konnte, sei etwas, worauf er stolz sei. Und wie bei allen Gegensätzen, die zu einem kreativen Neuen kombiniert werden, fragt man sich: Wieso ist darauf nicht schon längst jemand gekommen?
Autorin: Stefanie Badung