Pfandleihe im Wandel: Chinesische und amerikanische Anbieter auf dem Vormarsch in Deutschland

22. August 2023 AutorJürgen Rackwitz
Jürgen Rackwitz in seinem Büro.

Jürgen Rackwitz bleibt neugierig | Foto: Axel Heiter

Ein Beitrag von Jürgen Rackwitz.

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Im gleichnamigen österreichischen Film aus 2009 wird mit den Ängsten der Menschen gespielt. Das war leider schon immer so, und ich fürchte, es bleibt so.

Pfandleiher sind keine ängstlichen Menschen, sonst könnten sie ihren Beruf nicht ausüben. Sie müssen mit beiden Beinen im Leben stehen. Sie sollten Gut von Böse und echt von unecht unterscheiden können. Sie müssen ihrer Erfahrung und ihrem Bauchgefühl vertrauen können. Sie sollten Menschen und schöne Dinge lieben und ein Herz haben, dürfen sich aber nicht leicht hinters Licht führen lassen. Wer hinter dem Schalter des Leihamts sitzt, muss zudem mit Geld umgehen können. Und Angst darf ein Pfandleiher niemals haben, nicht vor Menschen, nicht vor Fehlbeleihungen und erst recht nicht vor Mitbewerbern.

Pfandleiher sind grundsätzlich analoge, haptische Menschen. Wir müssen alles anfassen, fühlen, riechen und ausprobieren. Unseren Kunden sehen wir in die Augen, geben ihnen die Hand und reden mit Ihnen, zur Not auch mit den Händen. Pfandleiher kann man nicht lernen oder studieren. Man kann es, wenn man will. Love it or leave it.

In unserer Nachbarschaft wohnen neuerdings Chinesen und Ukrainer. Habe ich deshalb Angst? Nein.

Warum nicht? Weil ich neugierig bin. Und weil nicht die Herkunft oder Hautfarbe den Menschen ausmacht, sondern sein Verhalten. Und weil ich gerne in fremde Länder reise und mich dort so benehme, dass man keine Angst vor mir hat.

Pfandleiher können es sich gar nicht leisten, gegenüber bestimmten Menschen Vorbehalte zu haben. Das zeigt auch die Erfahrung. Nicht wenige Menschen, die zu uns an den Schalter kommen, stammen aus fernen Ländern. Mit ihnen haben wir beste Erfahrungen gemacht, sie vertrauen uns und wir ihnen.

 

Können wir auch den Amerikanern vertrauen?

Gerade als ich von Viessmann einen Heizungskessel gekauft habe, haben die Amerikaner die Firma übernommen. Habe ich deshalb Angst? Nein. Ich bin anders als mein Vater und anders als mein Bruder. Also warum sollte ich Angst haben vor Amerikanern und Chinesen, nur weil sie anders sind?

Mein überaus geschätzter und sympathischer Kollege Rick kommt aus Florida. Er hat ein sonnengegerbtes Gesicht und die Sonne im Herzen, seine Kunden lieben ihn. Er ist ein Amerikaner, wie er im Buche steht. Während ich mich an meine Kunden heranrobben muss, gelingt ihm der erste Kontakt mit seinem Lächeln. Das Fernsehteam, welches gerade bei uns drehte, war vorher bei Rick und war hellauf begeistert von ihm. Uns Deutschen und auch mir, fehlt oft die positive Grundhaltung, die viele US-Amerikaner ausmacht. Das nötigt mir Respekt ab, macht mir aber keine Angst.

Wenn noch mehr Amerikaner wie er nach Deutschland kämen und einen Pawnshop aufmachen würden, wäre das für mich ok. Die amerikanischen Pfandleiher, die wir aus dem Fernsehen kennen, wie z. B. Les Gold aus Detroit oder die drei Harrisons aus Las Vegas, machen offensichtlich einen guten Job. Deshalb ist auch das Leihamt oft im Fernsehen, weil wir keine Angst haben, zu zeigen, wer wir sind und was wir machen.

Dickbäuchige, Zigarren rauchende Exemplare des Pfandleihers mit Feinrippunterhemd und Pumpgun unter dem Tresen gibt es ohnehin nur in Filmen, als dummes und unausrottbares Klischee.

 

Und was ist mit den Chinesen?

Hongkong hat mehr Pfandhäuser als ganz Deutschland. Dort geht es zu wie in einem Taubenschlag. In Hongkong gibt es für einen Krügerrand, eine Rolex oder einen lupenreinen Einkaräter genauso viel Geld wie in Deutschland.

Aber ich habe hier schon Kollegen sagen hören: „Wir haben Regeln in Deutschland, und die Amerikaner und Chinesen halten sich nicht daran.“ Und wenn schon. In Italien haben Pfandleiher viel strengere Regeln als wir einzuhalten, allein schon wegen der rigorosen Mafiagesetze und der harten Steuervorschriften. Mein Kollege, der in Italien zahlreiche Filialen betreibt, freut sich über jeden neuen chinesischen Pfandleiher, das belebt das Geschäft. Angst hat er keine.

Sicher gehen Chinesen anders an die Dinge heran als die Amerikaner, Deutschen und der Rest der Welt. Aber sie kochen auch nur mit Wasser. Wenn sie in Deutschland Pfandhäuser aufmachen wollen, sind sie mir genauso willkommen wie als Nachbarn. Vielleicht kann ich von ihnen noch etwas lernen oder sie von mir. Dann gehe ich mit meinem neuen chinesischen Kollegen um die Ecke zum Türken oder Griechen essen.

Die Menschen vor dem Schalter in Pfandleihen haben weltweit ähnliche Sorgen und die gleichen beleihbaren Gegenstände. Sie wollen fair behandelt und ernst genommen werden, sonst kommen sie nicht wieder.

Davor habe ich Angst.

 

Autor: Jürgen Rackwitz

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