Meinung: „Zahle Höchstpreise“

28. April 2023 Jürgen Rackwitz
Jürgen Rackwitz

Man staunt nicht selten über die marktschreierischen Werbeaktionen mancher Goldankäufer. | Foto: Axel Heiter

Ein Beitrag von Jürgen Rackwitz.

„Wir staunen nicht selten über marktschreierische Werbeaktionen dubioser Goldankäufer, die die Menschen mit irren Lockangeboten ködern wollen. Geeichte Waagen, faire Preise oder gar Beratung sucht man dort vergebens“, kommentierte Jürgen Rackwitz den SWR-Marktcheck, der dem Goldankauf mit versteckter Kamera auf den Grund gegangen ist. Das Leihamt schnitt dabei hervorragend ab. Doch über schlechte Erfahrungen kann der Geschäftsführer des Leihamts nach eigenen Recherchen ebenfalls berichten.

„Komme zu Ihnen nach Hause.“ „Zahle bis zu 30 € Spritgeld.“ So lauten nur einige der Versprechungen in Werbeanzeigen für Goldankauf und anderes mehr. Sie erscheinen halbseitig in Tageszeitungen oder als DIN A 4-Einleger beidseitig in Farbe. Kosten: Das wollen Sie nicht wissen.

„Wir kaufen an, wir zahlen bis zu 61,50 € pro Gramm Gold.“, steht da in einer Anzeige im Mannheimer Morgen vom 27.03.2023, oder im Beileger „Goldankauf Friedrichsfeld“ werden bis zu 7.50b0 € für einen Pelz, bis zu 3.000 € für Bernsteinschmuck, bis zu 500 € je kg Silberbesteck, bis 35 € für 1 kg versilbertes Besteck geboten. Ja, ist denn schon Weihnachten?

Der gebotene Goldpreis von 61,50 €/g Au läge 4,6 % über dem aktuellen Goldpreis von Kitco, der um 09.18 Uhr bei 58,80 €/g Au lag. Wer lässt sich auf solche Lockangebote ein? Leider sind es einige, sonst würden sich derart teure Anzeigen nicht lohnen.

Das ist starker Tobak, meinen Sie? Meinen Sie das Verhalten jener Goldaufkäufer oder meine Wortwahl? Beides, sage ich.

 

Überraschung vor Ort

Wir haben einen Anbieter aufgesucht und die Probe aufs Exempel gemacht. Siehe da: Der irre Goldpreis gilt leider nur für Kilobarren. Den hatte ich gerade nicht zur Hand, also Pech gehabt.

500 € für ein Silberbesteck? Ja natürlich, z. B. für ein komplettes, ungebrauchtes Robbe & Berking Alt Spaten. Was er verschweigt: So ein Set kaufen Pfandleiher ab 2.000 € an.

Bei normalem Schmuck zieht unser „Höchstpreisanbieter“ 40 % Provision vom Goldpreis ab: vom aktuellen wohlgemerkt, nicht von den versprochenen 61,50 €. Ein seriöser Aufkäufer verlangt hier nicht mehr als 10 %. Also auch hier: Höchstpreise – Fehlanzeige.

Übrigens: Eine geeichte und geprüfte Waage, wie sie vom Eichamt vorgeschrieben ist, haben wir dort nicht entdecken können. Anscheinend haben unsere inquisitorischen Fragen z. B. nach einer solchen Waage den Verkäufer so genervt, dass er uns schließlich bat zu gehen.

 

„Für Senioren auch Hausbesuche bis 100 km“

Glauben Sie bloß nicht, dass ältere Menschen, die Pelze besitzen, nur wegen der Pelze heimgesucht werden. Die Betrüger wissen genau: Wer Pelze besitzt, hat auch andere Werte wie z. B. Goldschmuck zu Hause. Wenn die meist gutaussehenden und top gekleideten Gauner es einmal in die Wohnung der Senioren geschafft haben, läuft das routiniert wie beim Enkeltrick ab. Und warum kommt das so selten ans Tageslicht? Weil sich die Betroffenen schämen. Finden die Betrogenen den Mut zur Polizei zu gehen, wird dort ein Protokoll gefertigt, mit zwei Löchern versehen und abgeheftet. Das war es dann.

Und wie sieht die Aufklärungsquote in diesen Fällen aus? Fragen Sie besser nicht.

Wenn Sie die Werbeanzeigen lesen, finden Sie selten, wer dahintersteckt. Vielleicht steht ein Name ganz klein unten links. Welche Qualifikation derjenige hat, sucht man vergebens. Eine Webseite ist ebenfalls nie angegeben.

Die Angebote sind meist nur sieben Tage gültig und oft mit „letzte Chance“ oder „einmalige Gelegenheit“ überschrieben. Stimmt das? Ja, aber anders als gedacht: Spätestens nach einer Woche sind die aufgebrachten, geprellten Bürger mit den Mistgabeln vergeblich hinter den Defraudanten her, und die Abmahnungen der Anwälte kommen unzustellbar zurück. Nach sieben Tagen ist der Spuk vorbei, die Gauner ziehen ein paar Städte weiter und die Menschen sind ihren wertvollen Besitz los. Die Anwälte können ihre Abmahnungen in den Papierkorb werfen, natürlich nicht, ohne ihren erbosten Auftraggebern die Rechnung für ihre Bemühungen zu schicken.

 

Was können Sie tun?

Seit Jahren das gleiche Bild. Kein Ordnungsamt, kein Eichamt, keine Verbraucherschützer, keine Polizei und keine Zeitung gehen gegen diese Betrüger vor. Wenn eine Zeitung einträgliche Anzeigen schaltet, kann sie nicht zwei Seiten später dagegen wettern, das leuchtet mir ein. Alle anderen haben wohl Wichtigeres zu tun. Die wahren Opfer sind die älteren Menschen. Jeder weiß das, und dennoch passiert nichts.

Aber was ist mit dem gesunden Menschenverstand der Verbraucher? Wir leben doch nicht im Mittelalter, wo solche Bauernfänger Erfolg hatten. Wir sind aufgeklärt, bestens informiert, haben unzählige Verbraucherrechte. Google könnte uns mit einem Klick helfen. Trotzdem fallen Menschen auf die miesen Maschen dieser Verbrecher herein, die nur vom schnellen Geld leben.

Was können wir im Leihamt Mannheim machen? Wie Sisyphus, der tagtäglich den Stein den Berg hochrollt, klären wir Kunden über diese Scheinangebote auf, nicht immer mit zählbarem Erfolg. Wenn Sie Wertsachen veräußern möchten, dann denken Sie bitte daran:

  • Glauben Sie nicht vermeintlichen Superangeboten. Diese Gauner zahlen keine Höchstpreise und machen Ihnen keine fairen Angebote. Das ist nicht deren Geschäftsmodell.
  • Lassen Sie keine Fremden ins Haus, um ihnen Wertgegenstände zu zeigen.
  • Gehen Sie selbst zu einem seriösen Ankäufer. Bereiten Sie sich auf ein solches Gespräch gut vor.
  • Vergleichen Sie mehrere Angebote.

 

Autor: Jürgen Rackwitz

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