Der Begriff „Corporate Social Responsibility“ tauchte erstmals 2000 im United Nations Global Compact auf: Er wird dort als „gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens“ definiert.
Unternehmen, die in einer Marktwirtschaft nach den anerkannten Regeln und innerhalb der Normen wirtschaften und dabei Gewinne erzielen, seien positiv zu sehen, es komme jedoch darauf an, wie sie wirtschaften und wie sie Gewinne erzielen. „Doing good and avoiding bad“ sind demnach die beiden Haupthandlungsfelder von CSR.
Anfangs war der Begriff von Soziologen belegt, was das „S“ auch aussagt. Mittlerweile haben ihn aber auch Ökonomen und Marketingstrategen entdeckt, und sie sind es auch, die ihn in Unternehmen und Foren überwiegend vertreten.
Leider wird CSR zu oft als Feigenblatt missbraucht. Der Anschein guter Taten zum Nutzen der Umwelt und der Menschen entpuppt sich meist als Marketinggag. Der Regelfall ist, dass CSR auf den Webseiten und den Leitlinien von Unternehmen ganz oben zu finden ist, bei näherem Hinsehen wird der Gedanke aber nicht gelebt. Dabei betonen Wissenschaftler wie Dr. Nick Lin-Hi, Professor für Wirtschaft und Ethik an der Universität Vechta, dass CSR sich durchaus positiv auf die Bilanzen und den Marktwert eines Unternehmens auswirkt, wenn sie nachhaltig und ernsthaft von der Unternehmensleitung umgesetzt wird.
Dennoch ist die Liste der Fehlverhalten von namhaften Firmen lang und das Gedächtnis der Verbraucher kurz. Burger King ist nur ein Beispiel: Seit Jahren sind die Missstände im Unternehmen und bei deren Franchisenehmern bekannt, dennoch wurde nichts unternommen. Katastrophale hygienische Zustände, schlechte Arbeitsbedingungen und miese Qualität, dazu der Kommentar eines Schichtleiters: „Ist doch egal, die essen eh alles.“ Die Unternehmensleitung ergeht sich in Ausflüchten, vor die Kamera tritt niemand. Ändern wird sich nichts, wenn die Verbraucher bei uns nicht konsequent umdenken. In England haben die großen Fastfoodketten starke Konkurrenz von kleinen regionalen Anbietern bekommen, die frisches, gesundes Street Food anbieten.
CSR ist eine typische Upside-Down-Aufgabe, d. h. es ist Aufgabe der Unternehmensleitung, dass ihre Leistungen und Produkte nachhaltig und verantwortlich entstanden sind.
Leider honorieren die Kunden in der Praxis das nicht, zumindest wenn sie nicht selbst betroffen sind. Kaum jemand interessiert sich, wenn bei Discountern die Brötchen unter schlechten Arbeitsbedingungen gebacken werden oder der größte Schlachtbetrieb in Nordrhein-Westfalen Schweine für einen Euro schlachten lässt und die Arbeiter unter menschenunwürdigen Bedingungen für einen Hungerlohn schuften.
Oder wenn eine Billigmarke T-Shirts für 3 Euro anbietet, welche in Bangladesch von Kindern in 14-Stunden-Schichten für einen Euro Lohn am Tag zusammengenäht werden. In Deutschland fragen die wenigsten, ob ein Burger für einen Euro wirklich gesund sein kann.
Teilnahmslos sehen wir zu, wie Garnelen oder Lachse in ihren eigenen Exkrementen schwimmen und mit Tonnen von Antibiotika aufgepäppelt werden, männliche Küken lebendig geschreddert werden oder Schweine und Kühe mit offenen Wunden von tagelangen Transporten quer durch Europa leiden. Dann schütteln wir den Kopf über die leeren Versprechungen auf den Verpackungen über biologischem Anbau oder Einhaltung des Tierwohls, ändern unser Konsumverhalten aber nicht.
Wer greift schon zum „Fair trade“ gehandelten Kaffee, wenn beim billigeren Sonderangebot ohne Label im Supermarktregal daneben der Preis stimmt. Viele Kunden kaufen nach wie vor orientiert am günstigsten Preis, denn schon Brecht wusste: „Erst das Fressen, dann die Moral.“
Alle Firmen, die bei den vorgenannten Beispielen gegen das Menschen- bzw. Tierwohl verstoßen haben, verweisen auf ihre strengen internen Regeln und Kontrollen und reden von Einzelfällen. Schuld sind stets die Sub-Sub-Subunternehmer, von denen man sich dann natürlich trennen will. Hätten die Firmenspitzen im Sinne von CSR wirklich sozial verantwortlich gehandelt, wäre es gar nicht dazu gekommen.
Noch kein Vorstand oder Geschäftsführer wurde wegen Verstößen gegen CSR verklagt oder entlassen. In Wirklichkeit kassieren sie für jede Einsparung fette Tantiemen, egal zu wessen Lasten sie geht.
Der VW-Skandal über Abgasmanipulationen an Tausenden von Dieselfahrzeugen mit Strafen in den USA von über 20 Mrd. Dollar für den VW-Konzern führten dazu, dass Vorstand Martin Winterkorn gehen musste – versüßt mit einer fetten Abfindung und einer üppigen Millionenrente. In den Knast ging er nicht. Bis heute hat sich das Unternehmen nicht dafür entschuldigt, seine Kunden und die Umwelt geschädigt zu haben. Niemand übernahm dafür öffentlich die Verantwortung. Und wir reagieren die Käufer? Umsatzeinbrüche verzeichnete VW in Deutschland durch den Abgasskandal jedenfalls keine. Also alles richtig gemacht?
Solange CSR keine gesetzliche Pflicht wird und solche Missstände für die Verantwortlichen in den Aufsichtsräten und Vorstandsetagen keine straf- und zivilrechtlichen oder besser noch finanzielle Konsequenzen haben, bleibt CSR eine wertlose Marke. In Deutschland dauerte es Jahre, bis der Gesetzgeber die Voraussetzung schuf, damit Sammelklagen gegen Konzerne möglich wurden.
Und wie sieht es bei den deutschen Pfandleihern mit CSR aus? Ein Kollege brachte es auf den Punkt: „Wer bis zu 48 % Zinsen und Gebühren im Jahr nimmt, muss die Klappe halten.“ Immerhin arbeiten die meisten Pfandleiher gesetzeskonform, was nicht leicht ist, und sie kümmern sich persönlich um ihre Kunden.
Im Städtischen Leihamt Mannheim liegen die durchschnittlichen Kosten und Zinsen je Darlehen bei unter 24 % p. a. Über 95 % der Pfanddarlehen werden spätestens nach vier Monaten eingelöst und müssen nicht versteigert werden. Unsere Mitarbeiter:innen sitzen jeden Arbeitstag den Kunden:innen gegenüber und hören zu. Sie beraten sie fachlich und geben nicht mehr Darlehen, als die Menschen brauchen. Sie sagen offen und ehrlich, wenn sie nicht mehr Darlehen geben können oder sogar ablehnen müssen. Sie sind nicht selten am Schalter der Sandsack für Menschen, die ihren Frust irgendwo ablassen müssen. Das muss man aushalten können.
Eigentlich ist das gelebte CSR, seit 213 Jahren im Mannheimer Leihamt.
Autor: Jürgen Rackwitz