Wer Helmut Dietz zum ersten Mal bei der Arbeit begegnet, dem fallen sofort seine unaufgeregte Art und seine Geradlinigkeit auf. Man spürt sofort: Der 60-jährige Uhrmachermeister hat schon alles gesehen und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.
Das ist wichtig, denn schließlich bringen ihm Menschen aus allen Schichten ihre Chronometer zur Prüfung, und Helmut Dietz nimmt diese Aufgabe selbstverständlich ernst. Da entfährt es dem einen oder anderen schon einmal: „Oh Gott, Sie machen ja meine Uhr auf!“ Natürlich tut er das, denn nur so lassen sich etwaige Beschädigungen erkennen und auch Fälschungen identifizieren, die in den letzten Jahren immer raffinierter geworden sind. Spätestens aber, wenn er der Kundschaft erklärt, was er da mit ruhiger Hand und geschultem Blick genau macht, sind alle entspannt und erleichtert, beim Leihamt in guten Händen zu sein.
Ist dann der Deckel der Uhr erst einmal entfernt, offenbart sich die Faszination der Uhrenmechanik, einer jahrhundertealten Kunst, die einst den jungen Helmut in ihren Bann geschlagen hat. Der gebürtige Pfälzer, der heute im südhessischen Ried lebt, entschied sich 1980 gegen die Arbeit bei der BASF und für die Ausbildung zum Uhrmacher im renommierten Haus Hausmann in Ludwigshafen. Bereits zehn Jahre später folgte der Meistertitel.
Nach einem längeren Aufenthalt in einem Kibbuz führte ihn sein Weg immer wieder zu den großen Namen. Ob als Werkstattleiter bei Eterna Porsche Design, als Mitentwickler einer Weltzeituhr bei Sinn in Frankfurt oder als Uhrenexperte bei Friedo Frier: Sein Wissen war überall gefragt. 2022 schließlich vervollständigte er das Schätzerteam im Leihamt Mannheim.
Was ist hier anders als im Einzelhandel? „Der soziale Auftrag“, erklärt Dietz. „Wir müssen den Menschen die Angst nehmen und deutlich machen, dass wir niemanden im Regen stehen lassen.“ Es sei wichtig, respektvoll auf die Menschen zuzugehen und ehrlich zu sein. Und man müsse Respekt vor ihrem Besitz haben. Was die Uhren angeht, hat Helmut Dietz mit der Einführung eines Uhrmachertisches mit Prüfstation auch hier neue Maßstäbe gesetzt.
So filigran wie seine Arbeit ist auch seine liebste Freizeitbeschäftigung. Als Hobbykoch tischt er keine deftige Küche auf, sondern kredenzt lieber selbst kreierte Amuse Gueules. Frittierte Essiggurke mit Bärlauch und Süßkartoffelstampf ist eine solche Eigenkreation. Für andere Gerichte werden auch schon mal kleine Cocktailtomaten filigran ausgehöhlt und wieder gefüllt. In seiner Küche kommt nichts weg: Auch hier zeigt er Respekt vor den Produkten, mit denen er arbeitet.
Wird das Uhrmacherhandwerk irgendwann aussterben? Helmut Dietz ist sich sicher. „Nein, mechanische Uhren wird es immer geben. Die Faszination einer Technik, die man am Handgelenk tragen kann, wird jeder Digitalisierung standhalten.“ Wir glauben ihm das sofort und freuen uns auf viele weitere Jahre mit Helmut Dietz im Leihamt.
Autor: Stephan Kirchner