Da steht ein Pferd auf dem Flur!

17. Februar 2021 AutorStefanie Badung
Ein bemaltes Pferd steht als Kunstobjekt im Leihamt.

Kunst im Leihamt | Foto: Axel Heiter

Kein Scherz: Seit mehreren Jahren schon strahlt ein edles Ross allen Gästen entgegen, die die oberste Etage des Leihamts erklimmen. Stolze 1,80 Meter ist der schwarz-rot-goldene Gaul hoch, hat ein güldenes Antlitz und trägt eine spannend gemusterte „Pferdedecke“, die sich beim näheren Hinsehen … doch tatsächlich als Patchwork aus (fast) echten Geldscheinen entpuppt!

So fesselnd das unerwartete Pferd auf dem Flur ist, so interessant ist seine Geschichte. Das Licht der Welt hat es nämlich schon vor vielen Jahren erblickt. Es war vor 14 Jahren als scheinbar über Nacht eine Herde bunter Kunstpferde im Stadtbild von Mannheim auftauchte. Eins stand vor dem Congress Center Rosengarten, andere in der Fußgängerzone oder vor diversen Finanzinstituten. Den besten Ausblick der zirka hundertköpfigen Schar jedoch hatte das Pferd auf dem Dach des Leihamts in D4.

Hinter der Aktion verbarg sich eine ungewöhnliche Guerilla-Werbemaßnahme, die auf die Europameisterschaft der Springreiter aufmerksam machte. Diese fand im August 2007 im MVV Reitstadion statt. Die charmante Idee, die Quadratestadt mit lebensgroßen, bunt designten Pferdefiguren zu bevölkern, stammte vom Organisator der Reiter-EM, Peter Hofmann. Sie war inspiriert von Public-Art-Events wie „Cows on Parade“ (Chicago, USA) oder „Moose in the City“ (Toronto, Kanada).

Schritt eins der mehrstufigen Kampagne war eine Malaktion, bei der 500 Kinder und Jugendliche an einem Wochenende vielen der ausgestellten Fiberglas-Rössern kreative Outfits verpassten. Im zweiten Schritt eroberten die auffälligen Pferdeskulpturen dann wie aus dem Nichts die Quadratestadt – Modell „Manfred“ durfte sogar ins Rathaus einziehen. Kurz vor dem Sportevent versammelte sich die Herde auf der Augusta-Anlage, wo sie bei einem nächtlichen Happening Stück für Stück „weiterzog“.

 

Pferdeparade quer durch die Quadratestadt

Jürgen Rackwitz, Chef des Leihamt, war sofort Feuer und Flamme, als er von der Kunstaktion erfuhr. „Wichtig war, dass unser Pferd nicht nur Botschafter für die Meisterschaft war. Es sollte auch das verkörpern, was die Menschen, die Hilfe beim Leihamt suchen, hier auch finden oder verpfänden können.“ Folgerichtig durften abfotografierte Geldscheine und Blattgold nicht fehlen. Für die Gestaltung des Leihamt-Pferds zeichnete der Künstler Emmanuel Hook verantwortlich. Rackwitz baute das Edel-Pferd sogar in eine Anzeigenkampagne zur Springreiter-EM ein.

Während viele „Kollegen“ bei einer Auktion verkauft worden sind, darf das mittlerweile pensionierte Ross bis heute im Leihamt residieren. Vom Balkon ist es jedoch längst auf den obersten Flur umgezogen, wo es nach wie vor allen Erstbesucher:innen spontan ein Lächeln auf die Lippen zaubert.

 
Autorin: Stefanie Badung

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